Da Matthias Küntzel in seinem 2002 erschienen Buch Djihad und Judenhass in seinen Ausführungen über die ägyptischen Muslimbrüder keine einzige Primärquelle zitiert,1 muss er eben auf die seriösen Informationen von Natascha Wilting zurückgreifen:
Auch wenn es an dieser Stelle nicht möglich ist zu erhellen, wie „Lust an der Unlust“ entsteht und sich „Libido ausgerechnet an ihre Unterdrückung heften kann“,2 ist doch zumindest zu konstatieren, daß die Muslimbrüder ihre eigenen libidinösen Wünsche und Träume auf die Welt der Ungläubigen projizierten. Projektion ist eine Abwehr, in der das Subjekt dem anderen Gefühle und Wünsche, die es ablehnt oder in sich verleugnet, unterstellt.3
Eine Seite weiter zieht er noch einmal Wiltings Artikel heran, ohne diesen als Quelle zu nennen, man erkennt dies aber an den nahezu identischen Koranzitaten4:
Während die Befreiung der Frau vom islamischen Inferioritätspostulat allmählich ihren Anfang nahm, formierte sich die Bewegung der Muslimbrüder als Sammelbewegung zur Wiederherstellung der patriarchalen Dominaz: Stand nicht im Koran geschrieben, daß „Männer die Herrschenden sind über die Frauen“ (Sure 4, Vers 35) und „eine Stufe über den Frauen stehen“ (Sure 2, Vers 229)?
Der Koran, zitiert aus Bahamas 38: diese Veröffentlichung hat die Goldmedaille des “Independent Publisher Book Award” als bestes Buch im Bereich Religion wahrlich verdient. Die Preis ging an die englischsprachige Übersetzung namens Jihad and Jew-hatred: Islamism, Nazism and the roots of 9/11. Erschienen beim Hausverlag der Neuen Rechten in den USA, Telos Press, der neben Küntzel auch so illustre Autoren wie Ernst Jünger, Carl Schmitt und Alain de Benoist verlegt.5
In der englischen Übersetzung finden sich genau die oben zitierten Stellen mit einem Unterschied. Die Fußnote mit dem Verweis auf Wilting fehlt, ebenso die Fußnote zum „Vokabular der Psychoanalyse“. Als Quellenangabe war die Bahamas anscheindend sogar für die amerikanische Nouvelle Droite zu unseriös. Der fehlende Hinweis auf diesen rassistischen Hetzartikel ist das beste am ganzen Buch…
- Dazu: Confronting fascism in Egypt: dictatorship versus democracy in the 1930s (Jankowski/Gershoni) [zurück]
- Hier findet sich eine Fußnote zu Wiltings „Psychopathologie des Islam“ aus Bahamas [zurück]
- Es folgt eine Fußnote zum „Vokabular der Psychoanalyse“ (Laplanche/Pontalis) [zurück]
- Dass in einer der Hauptquellen von Wilting etwas ganz anderes zum Frauenbild des Koran steht, erläutere ich in einem zukünftigen Blogeintrag. [zurück]
- Dazu: A short history of Telos: the drift from left to right. Aus: Where have all the fascists gone? (Bar-On) [zurück]